Waaas? In den Iran fährst du? Bist du lebensmüde? Ich bin es gewohnt, dass meine Reisepläne Reaktionen auslösen, die meine geistige Gesundheit anzweifeln. Während das aber meistens damit zu tun hat, dass mein Gegenüber nicht ganz sicher ist, wo er das entsprechende Land oder die Region auf dem Globus suchen könnte und es dort keine Traumstrände und Cocktailbars gibt, glaubt im Falle des Iran jeder zu wissen, dass es sich bei dem Land faktisch um ein von fanatischen Irren beherrschtes Krisengebiet handelt. Die mediale Berichterstattung in westlichen Staaten zeichnet das Bild eines radikalen und totalitären Terrorstaates, beherrscht von Wahnsinnigen und bevölkert von schwarz gekleideten Gotteskriegern, die es nicht erwarten können, als Selbstmordattentäter wehrlose Opfer mit sich in den Tod zu reißen. Es ist 2018, die Amerikaner sind wieder einmal dabei, den Verstand zu verlieren, und die schlimmsten Anschuldigungen hinsichtlich eines verbrecherischen Regimes kommen von einem Land, das von einem Donald Trump angeführt wird. Sie sind es auch, die den Iran beschuldigen, nach Atomwaffen zu streben – und gleichzeitig selbst auf einem gigantischen nuklearen Arsenal sitzen, das sie als einziges Land auch schon eingesetzt haben.

Ich möchte mich hier nicht in die iranische Politik vertiefen und auch nicht sicher bestehende Missstände entschuldigen. Auch sind geopolitische Konflikte zu komplex, um sie in ein paar Sätzen abzuhandeln. Was ich aber ausdrücken möchte, ist, dass der Eindruck, der sich dem Reisenden bietet, das diametrale Gegenteil der so geschürten Erwartungen ist. Nirgends auf der Welt habe ich so viele herzliche, freundliche, offene, liebenswürdige Menschen getroffen. Nie zuvor wurde ich in einem fremden Land so zuvorkommend empfangen, habe ich so sehr das Gastrecht von seiner besten Seite erlebt – und zwar, und das ist das Entscheidende: nicht nur von den wenigen Menschen, die in der Tourismusindustrie arbeiten, sondern von allen und jedem, den ich irgendwo treffe, auf den Straßen, in den Parks, in den Moscheen und den Geschäften.

Ständig werde ich von Passanten angesprochen, nach meinen Reisezielen gefragt, nach meiner Meinung über den Iran, nach meiner Familie; will ich eine Gruppe von Menschen in einem Park fotografieren, werde ich von ihnen sofort eingeladen, doch an ihrem Picknick teilzunehmen; Junge Menschen im Hof einer Moschee fragen mich spontan, ob ich mich nicht zu ihnen setzen und mich mit ihnen unterhalten möchte; ein älterer Mann, an dessen Haus ich vorbeigehe, öffnet die Tür, lädt mich zum Tee ein, zeigt mir sein Zuhause. Ich habe kein einziges negatives Erlebnis – nicht ein Iraner, der nicht liebenswürdig wäre, nicht eine Frau, die nicht unter ihrem Kopftuch freundlich lächelt.

Persien ist eine jahrtausendealte Kulturnation, und die Menschen strahlen eine gewisse Würde aus, die dem Rechnung trägt. Seit der Antike sind hier Reiche entstanden und untergegangen, wurde gehandelt und gebetet, lag das Land an einer Schnittstelle zwischen dem fernen Osten und dem Mittelmeerraum, zwischen der Seidenstraße und dem Seehandel. Dort, wo Waren gehandelt und ausgetauscht werden, passiert das Gleiche auch mit Ideen, mit Religionen, mit Wissenschaft. Es ist ein unfassbar reiches Erbe, auf das der Iran zurückblickt.

Die Straßen und Plätze, die Moscheen und Bazare von Shiraz, Yazd oder Isfahan lassen den Besucher ein Stück des alten Glanzes erleben, erlauben eine Ahnung der Kultur und Tradition, die hier verwurzelt ist. Und die uralten Felsengräber, die Türme des Schweigens – Reste der Zoroastrischen Religion -, die Ruinen von Persepolis künden davon, dass Glanz und Kultur älter sind als der Islam.

Meine Reise führt mich weiter nach Usbekistan – in meiner Wahrnehmung noch unbekannter, noch geheimnisvoller, noch fremder und noch exotischer als der Iran. Die Freundlichkeit der Usbeken steht jener der Perser in nichts nach, wenngleich die Mentalität spürbar anders ist. Während der Iran während der letzten Generationen von der islamischen Revolution und den damit verbundenen nationalen und internationalen Konflikten geprägt wurde ist es in Usbekistan der Sowjetkommunismus beziehungsweise der Zusammenbruch desselben und die darauffolgende Phase der Neuorientierung, der das Leben der Menschen bestimmt hat.

Auch hier werde ich bei jeder Gelegenheit in Gespräche verwickelt, wollen die Menschen ein gemeinsames Foto machen, fragen sie mich nach meiner Heimat und zeigen sie mir voll stolz die Ihre. Wenn ich durch die alten Straßen oder über die Plätze Usbekistan gehe kommt es mir vor, als wäre ich einige Jahrhunderte in die Vergangenheit gereist. Samarkand, Buchara und Chiwa sind tatsächlich märchenhaft schön, eine Kulisse des uralten und exotischen Orient. Leuchtende Fassaden und Mosaike vor tiefblauem Wüstenhimmel, und vor meinem geistigen Auge vermengen sich tatsächliche Eindrücke mit den Vorstellungen der Vergangenheit – ich sehe Kamelkarawanen mit Händlern aus China, islamische Gelehrte und die Reiterhorden der mittelalterlichen Herrscher, die von hier aus Reiche beherrschten, die vom Indopazifik bis Europa reichten.

Übrigens haben Tradition und Kultur in beiden Ländern – Persien und Usbekistan – erfreulicherweise auch sehr positive Spuren in der landestypischen Küche hinterlassen. Auch das ist ein nicht zu unterschätzender Aspekt eine Kulturreise…..