Es ist kalt, und der Wind pfeift. Die Wellen des Atlantik rollen gegen die Küste, der Nebel hebt sich, die Schaumkronen glitzern im ersten Morgenlicht. Wie immer heißt es früh aufstehen für Naturfotografen, beim ersten Morgenlicht möchte man an den besten Fotoplätzen sein. Das entspricht durchaus nicht meiner Natur, aber die Motive an Namibias Skelettküste rechtfertigen jederzeit alle Mühen.

Die Skelettküste, das ist ein langer, langer, menschenleerer Küstenstreifen in Südwestafrika. Durch den Benguelastrom ist das Wasser kalt, wodurch an der Küste angenehm frische Temperaturen herrschen – bei der Fahrt vom Hoanib Valley an die Skelettküste ist das Thermometer innerhalb einer guten Stunde von 41° auf 18° gefallen. Die Luftfeuchtigkeit kondensiert über dem kalten Atlantik, dort bilden sich Wolken und es regnet über dem Meer – an der Küste selbst und im Landesinneren jedoch bildet sich dadurch eine Wüste, ganz ähnlich wie die Atacama in Südamerika. Die Sanddünen gehen direkt in den Atlantik über, und Nebel ist, vor allem am Nachmittag, eine fixe Größe.

An der flachen Küste ist dadurch die Navigation für Schiffe erheblich erschwert, und vor allem in der Zeit vor der Einführung moderner Navigationsinstrumente kam es hier zu unzähligen Schiffbrüchen. Oftmals überlebten Seeleute, fanden sich dann aber in einer wasserlosen Wüste wieder – und so findet man an der Skelettküste die verrosteten Schiffswracks genauso wie die Überreste von Transportflugzeugen, die zur Rettung der Schiffsbesatzungen losgeschickt wurden.

Aber die Wüste lebt. Kaltes Wasser bedeutet viel Sauerstoff, Sauerstoff bedeutet Leben und viele Fische, und davon ernähren sich die vielen Robbenkolonien, die entlang der Skelettküste zu finden sind. Aber auch die Robben bilden nicht die Spitze der Nahrungskette – große Haie jagen die Tiere im Wasser, und braune Hyänen und Schakale sind vor allem für Jungtiere in der Kolonie gefährlich, besonders wenn die adulten Tiere auf Nahrungssuche sind.

Andere Tiere leben versteckter, aber sie sind der allgegenwärtige Beweis, dass das Leben auch die unwirtlichsten Regionen erobert, dass die Evolution für die unglaublichsten Lebenssituationen Lösungen findet und in ihrer Kreativität und gleichzeitigen Funktionalität und Ästhetik mit nichts anderem vergleichbar ist.

Der Nebeltrinker-Käfer, der seinen gesamten Wasserbedarf aus dem morgendlichen Nebel deckt, das Nama-Chamäleon, Geckos und Eidechsen, Schlangen und Vögel und viele andere Tier- und Pflanzenarten haben Wege und Lösungen gefunden, mit den widrigsten, lebensfeindlichsten Bedingungen zurecht zu kommen und der Wüste ihre Existenz abzuringen, den Wassermangel, die Gluthitze des Tages, die Kälte der Nacht und viele andere Schwierigkeiten zu bewältigen.

Die Skelettküste ist einsam, wild, wunderschön, hart und rau – ein Juwel unter den vielen besonderen Plätzen in Namibia.