Ich hatte das Privileg, in vielen Ländern Afrikas unterwegs zu sein und einige der besten Naturparks kennen zu lernen. Ein ganz besonderes Juwel unter diesen grandiosen Landschaften ist für mich Botswana. Unvergessliche Szenen am Chobe Fluss, die wildreichen Ebenen der Savuti, die einsame und faszinierende Steppe und Halbwüste der Kalahari – überall dort hatte ich unvergessliche Erlebnisse. Über allem aber steht das riesige Feuchtgebiet des Okavangodeltas.

Der Okavango ist ein 1700km langer Fluss, der von Hochland von Angola nach Südosten zieht, den Caprivistreifen durchquert und dann -und das ist die Besonderheit- nicht ins Meer mündet, sondern ein riesiges Binnendelta im Norden Botswanas bildet. Auf einer Fläche von 15.000-20.000 km² verwandelt der Okavango den Nordrand der knochentrockenen Kalahari in ein gewaltiges Sumpf- und Überschwemmungsgebiet, in dem -je nach Wasserstand und Regenmenge- ein unbeschreibliches Gewirr von Seen, Inseln, Nebenflüssen, Sumpfgebieten und trockenem Land entsteht. Je nach Wasserstand erfolgt die Fortbewegung mit dem Geländewagen, der Piroge oder zu Fuß, über weitere Strecken allerdings fast immer mit dem Kleinflugzeug.

Dieses grandiose Biotop bildet eine fantastische Naturlandschaft, in der gewaltige Herden von Antilopen, Büffeln und Elefanten, Giraffen und Zebras und viele andere Herbivoren weitgehend ungestört leben. Ungestört vom Menschen – denn an tierischen Jägern besteht im Okavangodelta wahrlich kein Mangel.

Eine kleine Herde Riedböcke grast in der Graslandschaft des Okavango. Es ist später Nachmittag, die Hitze des Tages lässt nach, und die Tiere wissen, dass nun die gefährlichste Zeit des Tages beginnt. In der Hitze des Tages schlafen die großen Raubkatzen und bewegen sich freiwillig höchstens ein paar Meter – vor allem dann, wenn der Schatten, in dem sie sich ausruhen, ein kleines Stück weiter gezogen ist. Jetzt aber, in der Kühle des Abends, gehen sie auf die Jagd. Immer wieder sichern die Antilopen, heben ihre Köpfe und blicken in die Ferne, und grasen dann vorsichtig weiter. Die Gepardin, die keine hundertfünzig Meter entfernt im hohen Gras steht, haben die Tiere aber noch nicht bemerkt. Die Katze ist hungrig. Sie führt zwei halbwüchsige Jungtiere, vielleicht vierzehn Monate alt, nur wenig kleiner als sie selbst. Die Jungen sind immer hungrig, sie fressen große Portionen, aber sie können noch nicht selbst jagen. Die Gepardin nimmt eine geduckte, aufmerksame Körperhaltung ein und nähert sich vorsichtig der Antilopenherde. Die Jungtiere verstehen ihre Körpersprache – sie bleiben zurück und legen sich ins Gras. Leichtsinniges Spielen und aufgeregtes Herumtapsen würde die Beute sofort warnen und verjagen. Die Gepardin schleicht sich weiter an – gegen den Wind und im Schutz des hohen Grases und des leicht unebenen Geländes. Tatsächlich schafft sie es, auf wenige Dutzend Meter an die Riedböcke heranzukommen.

Sie duckt sich, sie spannt alle Muskeln an – und dann startet sie wie ein losgeschossener Pfeil. Die Antilopen rennen auseinander, die Katze konzentriert sich auf ein Tier und jagt unbeirrt an allen anderen vorbei. Immer näher kommt die Gepardin der Beute, sie folgt jedem Haken mit raschen und präzisen Richtungswechseln, die sie bei dem enormen Tempo (Geparden erreichen Spitzengeschwindigkeiten von 100km/h) mit ihrem kräftigen Schwanz ausgleicht. Schon scheint sie ihre Beute zu packen – da endest die Jagd ebenso abrupt, wie sie begonnen hat. Dem Riedbock ist es gelungen, auf sumpfiges Gelände zu gelangen, und auf dem weichen Boden ist die Gepardin chancenlos. Er ist im letzten Moment davongekommen, die Katze atmet schwer und lässt sich keuchend zu Boden fallen.

Nur etwa einer von zehn Jagdversuchen eines Geparden endet erfolgreich, und oft genug verlieren sie dann noch ihre bereits erlegte Beute an Löwen oder Hyänen. Nur zwei erfolgreiche Jagden von Geparden habe ich bisher von Anfang bis Ende fotografiert, und eine davon ereignet sich nur zwanzig Minuten nach der gerade beschriebenen Episode, als die Gepardenmutter einen neuen Anlauf nimmt.

Afrikanische Wildhunde sind im Okavangodelta relativ häufig zu sehen, ganz im Gegensatz zu den meisten anderen Regionen in Afrika. Die stark gefährdeten Tiere gehören zu den effizientesten Jägern Afrikas. Sie jagen im Rudel, sie verteilen sich im Raum, sie verständigen sich zuverlässig mit ihrer Körpersprache, sie konzentrieren sich auf ein einzelnes Beutetier in der Herde, das vom Alphatier ausgewählt und auf geheimnisvolle Art und Weise den anderen Jägern mitgeteilt wird. Plötzlich rennen überall Wildhunde los, trennen die Herde, schneiden Fluchtwege ab und jagen das Opfer bis zur Erschöpfung. Die Jagd dauert nur wenige Minuten, und alle – Jäger, Beute und Fotograf – haben den Puls am Anschlag. Ebenso ist die Beute innerhalb weniger Minuten zerlegt, zerfetzt und aufgefressen.

Das Okavangodelta ist eines der letzten wirklichen Pardiese Afrikas. Gewaltige Großtierherden grasen in den Ebenen, große Gruppen von Elefanten ziehen morgens und Nachmittags zu den Flussläufen um zu trinken und zu baden, Flusspferde kommen an Land, Krokodile baden im letzten Sonnenlicht.

Viele wunderbare Vögel, deretwegen man in Europa weite Strecken fahren und viele Stunden im Tarnzelt verbringen würde, sind oft nur wenige Meter entfernt und ohne große Anstrengung zu finden – trotzdem bleiben sie oft unbeachtet angesichts des grandiosen Schauspiels, das sich dem Besucher bietet. Der Zauber dieser einzigartigen Naturlandschaft ist kaum in Worte zu fassen.

Und wenn die Sonne sinkt, versagen irgendwann auch die Bilder. Denn die Geräusche der nächtlichen afrikanischen Wildnis – das Lachen der Hyänen, das Fauchen der Katzen, die kurzen Warnrufe der Antilopen, das Rauschen von Gras, das Trappeln von Hufen, die kurzen Schreie und Rufe – all das kann sich nur der vorstellen, der es erlebt hat.