Der Flug von Europa nach Jakarta ist gesteckt voll mit Touristen. Am kleinen Flughafen in Kalimantan, dem indonesischen Teil Borneos, sehe ich hingegen nur ein paar vereinzelte westliche Gesichter. Das fühlt sich gut an. Die Nachbarinsel von Java, die sich Indonesien mit Malaysia und dem Sultanat Brunei teilt, ist eine andere Welt. Leider eine sehr gefährdete: gewaltige Urwaldflächen fielen der Holzindustrie und den Palmölplantagen zum Opfer, und die unberührte Natur ist auf einige kleine Refugien beschränkt.

Der Tanjung Puting Nationalpark im Süden der Insel umfasst über 4000 Quadratkilometer, das ist ein wenig größer als das Burgenland. Er ist die Heimat von 6000 wildlebenden Orang-Utans, was übersetzt „Waldmensch“ bedeutet – ein treffender Name, wie ich bald feststellen sollte. Außerdem leben hier Gibbons, Nasenaffen, Warane, Schlangen, Frösche, unzählige Vögel und andere Tiere.

Der dichte Urwald ist von Flüssen durchzogen, die in Mangroven auslaufen. Die Fortbewegung erfolgt auf einer Art Hausboot, dem Klotok, auf dem die meisten der wenigen Besucher auch kochen, essen und übernachten. Den Regenwald erlebt man auf diese Weise hautnah, mit all seinen Farben, Geräuschen, Gerüchen und mit seiner schwülen Hitze, seinen Insekten und seiner 90% Luftfeuchtigkeit. Nasenaffen sitzen einige Dutzend Meter entfernt in den Bäumen, Frösche und Schlangen findet man am besten im Licht einer Taschenlampe in der Nacht.

Der Nationalpark, der Umweltschutzgedanke in Indonesien überhaupt, die Erforschung und Habituierung von Orang-Utans und damit ihre Rettung ebenso wie die Möglichkeit, habituierte Gruppen zu besuchen, ist untrennbar mit dem Namen Birute Galdikas verbunden. Die Zoologin und Verhaltensforscherin führte mit Unterstützung des Paläontologen Louis Leakey und der National Geographic Society seit den 1970er Jahren Pionierstudien an den Orang Utans durch – ähnlich wie Jane Goodall an Schimpansen und Diane Fossey an Gorillas, beide ebenso vom gleichen Mentor gefördert.

Die drei Unterarten -alle sind als „critically endangered – vom Aussterben bedroht“ eingestuft- der Orang Utans leben ausschließlich auf Borneo und Sumatra – das ursprüngliche Verbreitungsgebiet umfasste einen Großteil Südostasiens, von China bis Java. Sie verbringen einen Großteil ihres Lebens auf den Bäumen, nur ausnahmsweise kommen sie auf den festen Boden. Sie sind faszinierende Geschöpfe, und es ist ein riesiges Privileg, sie beobachten, fotografieren und für eine kurze Zeit an ihrem Familienleben teilnehmen zu können. Die Tiere scheinen genauso neugierig auf uns Menschen zu sein wie wir umgekehrt auf sie. Sie folgen mir in ein paar Metern Abstand, mehrere Stunden lang, auf meinem Weg durch den Regenwald. Und wieder einmal bin ich bei einer Begegnung mit Menschenaffen verblüfft darüber, wie ähnlich sie uns eigentlich sind.

Indonesien ist vielleicht das vielfältigste und facettenreichste Land, das ich je besucht habe. Erneut bleibt die Hoffnung, dass der Druck von wirtschaftlicher Entwicklung, Bevölkerungswachstum und anderen Faktoren genug Raum lassen für den Schutz seiner grandiosen Natur und seiner Minderheiten.