Meine Heimat Österreich mit seinen Bergen und Wäldern wäre eigentlich der natürliche Lebensraum der Braunbären. Wenn in den heimischen Medien vom Bären die Rede ist, geht es aber nur um sein völliges Fehlen in unserem Land. Es geht um völlig absurde Vorstellungen von Gefährdung -der Menschen und ihrer Nutztiere, nicht des Braunbären!- und um die Durchsetzung egoistischer Partikularinteressen, und hierin spiegelt sich ein geistiges Klima, das die Institutionen des Staates bis hin zu den höchsten Entscheidungsträgern durchzieht. Im Ergebnis wurde der Braunbär in Österreich gleich mehrfach ausgerottet und der Wanderer am Ötscher oder Dürrenstein kann sich darauf verlassen keine Bären anzutreffen. Gerade einmal ein paar versprengte Individuen kommen gelegentlich an der Grenze zu Italien vor. Von nicht wenigen Verantwortungsträgern wird diese ökologische Verarmung als ein Segen angesehen. Die Frage, warum es in unserem wesentlich kleineren Nachbarland Slowenien möglich ist, eine gesunde Population von Braunbären ohne nennenswerten Schaden für Menschen, Land- und Forstwirtschaft zu haben, bleibt in der heimischen Diskussion regelmäßig ausgespart, ganz zu schweigen von den relativ großen Beständen in Osteuropa. Die intellektuelle Qualität des Diskurses um den Braunbären und seinen ökologischen Wert wird allenfalls noch unterboten von den hysterischen Wortmeldungen um die Rückkehr des Wolfes, die – wohl in wörtlicher Auslegung von Kindermärchen und Gruselgeschichten, in Verbindung mit einer sehr mangelhaft entwickelten Urteilskraft und Einsicht in die realen Tatsachen, als geradezu apokalyptisch gesehen wird.





Einen guten Boden, um Braunbären zu beobachten, bietet in der näheren Umgebung neben Slowenien vor allem Finnland, insbesondere das Grenzgebiet zu Russland. Im Juni ist es in der Nähe des Polarkreises 24 Stunden am Tag hell genug, um die häufig nachtaktiven Bären zu fotografieren, die Tiere sind seit einiger Zeit aus ihrer Winterruhe erwacht und machen sich nun daran, den während dieser Monate erheblichen Gewichtsverlust auszugleichen. Sie sind daher sehr aktiv, suchen mehr oder weniger pausenlos nach Nahrung und haben außerdem häufig Jungtiere dabei – die beste Zeit also für den Fotografen. Hinzu kommt noch die Paarungszeit, die einige Einblicke in das Sozialverhalten der sonst einzelgängerisch lebenden Allesfresser ermöglichen.





Und so kommt es, dass ich einige Nächte lang auf jeden Schlaf verzichte und im gut getarnten Versteck auf Bären warte – und reichlich belohnt werde. In der Landschaft aus nordischen Birkenwäldern mit vielen kleinen Seen entstehen bei der tiefstehenden Sonne einige magische Momente.





Und es sind nicht nur Braunbären, die ich hier beobachten darf. Auch Vielfraße kommen immer wieder vorbei, und wie bei Marderartigen nicht anders zu erwarten muss man schnell sein, um ihren flinken Bewegungen zu folgen. Es scheint, das Tier käme niemals zur Ruhe, ständig huscht es hier- und dorthin, klettert auf Bäume, erkundet in Windeseile die ganze Umgebung. Vielfraße sind entlang des nördlichen Polarkreises rund um den Globus verbreitet, in Skandinavien und Russland ebenso wie in Alaska und Kanada – nur auf Grönland fehlen sie.





Der Vielfraß ist ein angriffslustiges Raubtier, dem man es auf den ersten Blick nicht zutrauen würde dass er -neben Aas, Vogeleiern und Beeren, Schneehasen, Eichhörnchen und Mäusen- auch junge Rentiere und Elche erbeutet und mitunter sogar Pumas und Bären von ihrem Riss vertreibt. Dies lässt durchaus Parallelen zur Ökologie der afrikanischen Honigdachse erkennen.
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